Ein außergewöhnliches Zeugnis der Industriekultur

Die Geschichte der Sayner Hütte

Geschichte

Die Geschichte der Sayner Hütte

Vor über 250 Jahren beginnt die Geschichte der Sayner Hütte als Standort der Eisenverarbeitung. Der Betrieb mit seinen bis zu 200 Mitarbeitern ist eine prägende Kraft für den Ort Sayn, die Region und darüber hinaus.

1769/1770ließ der Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus eine Eisenhütte im Sayntal errichten und schaffte somit er viele Arbeitsplätze.
1815ging die Sayner Hütte mit dem Rheinland an die preußische Krone. Diese verfügte  damit neben Gleiwitz und Berlin über eine dritte königlich-preußische Eisengießerei. Sie wurde zur modernsten im preußischen Staat. Dabei wurde die barocke Vorgänger-Hütte weitgehend überformt. 15 Jahre lang reiften unter Carl Ludwig Althans – einem genialen Erfinder - die Planungen für das Bauwerk und die technischen Anlagen.
1830war die prachtvolle Gießhalle vollendet. Von hier aus wurde die Epoche der weit gespannten Tragwerke aus Gusseisen eingeleitet, für die die Gießhalle als frühe und besonders gelungene Anwendung steht. 30 Jahre lang wurden profane und kunstvolle Produkte von Weltruf erzeugt.
Die Sayner Hütte wurde zugleich berühmt für den Eisenkunstguss. Herausragende Exponate werden heute im Rheinischen Eisenkunstguss-Museum, das sich in Zukunft ebenfalls auf dem Denkmalareal der Sayner Hütte befinden wird, gezeigt.
1865verbanden sich die Wege von Krupp und Sayn. Der Unternehmer Alfred Krupp kaufte vom preußischen Staat das „Eisenhüttenwerk zu Sayn“ samt „den Eisensteingruben bei Horhausen“, denen sein besonderes Interesse galt. Der Kauf war ein wichtiger Baustein für die Expansion der Gussstahlfabrik Krupp in Essen.
1908/1909
entstand an der Nordseite des Hüttenareals eine neue Maschinenfabrik als dreiachsiger Stahlrahmenbau mit Außenwänden aus Ziegelmauerwerk. Als Krupp’sche Halle ist sie heute Zeugnis der Krupp’schen Zeit der Sayner Hütte.
1926wurde die Sayner Hütte stillgelegt. Gelände und Gebäude gelangten 1927 erstmals in das Eigentum der Stadt Bendorf.
1976erwarb der Ingenieur und Unternehmer Heinrich Strüder Teile des Hüttenareals und bewahrte damit die Sayner Gießhalle vor dem bereits genehmigten Abriss. Er sanierte die weitgehend verfallene Halle mit Unterstützung des Bundes und des Landes und nutzte sie nach Fertigstellung für seinen Betrieb.

2003gründete sich aus einem schon mehrere Jahre tätigen Zusammenschluss interessierter Bürgerinnen und Bürger der Freundeskreis Sayner Hütte e.V. mit dem erklärten Ziel, die historische Gießhalle als herausragendes Zeugnis der Baugeschichte und der Industriekultur zu erhalten, zu pflegen und die öffentliche Zugänglichkeit zu gewährleisten.
2003/2004gelangte das Areal nach erneutem Eigentümerwechsel  wieder in das Eigentum der Stadt Bendorf, mit der Maßgabe, das Denkmalareal als wichtiges städtebauliches Entwicklungsziel auszubauen und zu nutzen.
2010/2011wurde in einer ersten umfassenden Maßnahme das Areal bereinigt, von nicht denkmalgerechten Aufbauten befreit und neu strukturiert. Die Sayner Hütte ist auf drei Ebenen mit zwei Stufen angelegt. Diese Terrassierung wurde wieder klar in den Vordergrund gerückt. Dabei lässt sich die Grundhaltung für die Gestaltung der Außenräume und der Bauwerke mit „karg und edel“ beschreiben.
2012wurde durch Beschluss des Ministerrates des Landes Rheinland-Pfalz die Stiftung Sayner Hütte errichtet. Stifter sind das Land Rheinland-Pfalz, der Landkreis Mayen-Koblenz und die Stadt Bendorf.
2012-2014wurde das gusseiserne Tragwerk der Gießhalle saniert. Glasfenster, die gläserne Westfassade und der Dachbereich wurden restauriert und erneuert.
Im weiteren Verlauf der Sanierungsmaßnahmen  erhielt die Gießhalle einen neuen Fußboden aus Gussasphalt und Beleuchtungselemente.
2017konnte nach einem denkmalgerechten Rückbau der „Krupp’schen Halle“ und deren Neugestaltung im Innern als Besucherzentrum und Veranstaltungshalle der offizielle Betrieb mit der kulturtouristischen Nutzung auf der Sayner Hütte durch die Stiftung Sayner Hütte aufgenommen werden.
Die Stadt Bendorf ist weiterhin Eigentümerin des Geländes und verantwortlich für die umfassenden Investitionen.
2018wurde der Hochofentrakt im Anschluss an die Gießhalle - nach ausführlichen Rückbaumaßnahmen von nicht authentischen Bauteilen -  neu gestaltet und inszeniert.

Das Verständnis von der Sayner Hütte

Die Sayner Hütte ist

·  anerkannt als „National wertvolles Kulturdenkmal“;

·  ein „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst Deutschlands“ (Auszeichnung der Gießhalle durch die Bundesingenieurkammer im Jahr 2010);

· ausgezeichnet als „Premiumprojekt des Bundes“ (gefördert durch das Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“, 2014 und 2017).

In der Wissenschaft ist das Industriedenkmal Sayner Hütte eine bekannte und anerkannte Größe.

Dies bezog sich zunächst nur auf die für die damalige Zeit (1820 bis 1865) überragende Architektur der Hallenkonstruktion aus vor Ort gefertigten Gusseisenteilen in Verbindung mit Glasfeldern. Ausschließlich hierauf bezog sich auch die vom Land in 2012 betriebene Bewerbung zur Aufnahme auf die nationale Tentativliste zum Weltkulturerbe.

Die Grundriss- Form einer Basilika mit einem Hauptschiff und zwei Seitenschiffen ließ Fachleute wie Liebhaber von einer Industrie-Kathedrale bzw. einer Kathedrale der Arbeit sprechen. An den Säulen befestige Krane wurden erstmals auf Kugellagern in der Größe von Tennisbällen bewegt. Die Schaufeln der Wasserräder waren von dem preußischen Ingenieurgenie Althans so weit verändert, dass die Räder deutlich schneller liefen als traditionelle Wasserräder. Die Erfindung des sogenannten Fischbauchträgers ermöglichte als statisches Element das Tragen schwererer Lasten. Ein parallel zum Saynbach ab Isenburg angelegter Gewerbekanal, Obergraben genannt, führt über ca. zwei Kilometer das für den Betrieb der Wasserräder/Turbinen benötigte Wasser in den benötigten Mengen und Geschwindigkeiten zum Hüttenareal.

Nachdem im Ausland Dokumente über die Konstruktion des Hochofens entdeckt werden konnten, führte die Stadt Bendorf auf Empfehlung des Beirats der Stiftung unter der Leitung von Museumsleiterin Barbara Friedhofen industrie-archäologische Grabungen in der Gießhalle durch. Die gelernte Archäologin fand als Ergebnis der Ausgrabungen das bestätigt, was die Hochofenpläne darstellten: Einen für die damalige Zeit hochinnovativen Hochofen mit Ergänzungsanlagen. Themen wie Wärmerückgewinnung zur Erhöhung der Schmelztemperatur wurden bereits 1830 einer technischen Lösung zugeführt.

Zwischenzeitlich gibt es neuere wissenschaftliche Erkenntnisse und Bewertungen, die das gesamte Hüttenwerk als eine ineinander greifende und wirkende Maschine verstehen, in und mit der die Produktionsabläufe effizienter und schneller gestaltet wurden. Der Einstieg in das Industriezeitalter wird erstmals vollzogen.

Die Sayner Hütte war zu Beginn des 19. Jahrhunderts führend in der Entwicklung der Gusseisen-Technologie und Epoche machend für die Industriearchitektur und den Ingenieurbau. Vor allem die weit gespannten Tragwerke aus Eisenguss hatten hier ein innovatives Zentrum für die spätere weltweite Verbreitung im Brückenbau, bei Bahnhofshallen, Messehallen, Aussichtstürmen und Industrieanlagen.

Die Konstruktion der Gießhalle ist eine der frühesten Anwendungen dieser neuen Technologie. Dazu hat die preußische Bauverwaltung unter dem Architekten Althans eine faszinierende Architektur geschaffen.

Die große Zeit des Eisengusses ist längst vorbei. Heute ist diese Gießhalle weltweit wohl das einzige erhaltene Zeugnis, das in großartiger Architektur an den Beginn dieser Epoche erinnert. Die Sayner Hütte mit der Gießhalle im Mittelpunkt ist ein Gesamtkunstwerk von Weltrang.

Gießhalle der Sayner Hütte, beleuchtet


 

Konzentration unter dem Dach einer Stiftung

Die Stadt Bendorf hat gemeinsam mit den Landkreis Mayen-Koblenz und dem Land Rheinland-Pfalz Ende des Jahres 2012 eine öffentlich-rechtliche Stiftung gegründet (Landesstiftung), mit dem Ziel, dauerhaft einen Betrieb für die Öffentlichkeit auf der Sayner Hütte zu gewährleisten.

Seit dem Jahr 2018 wird die Stiftung von einer hauptamtlichen, bis zu diesem Zeitpunkt von einer ehrenamtlichen Geschäftsführung geleitet.

Die Stiftung übernimmt nach und nach mit dem Fortschritt der Sanierungsarbeiten auf dem Gelände die sanierten Teile zur eigenen Nutzung und letztlich am Ende das gesamte Gelände zu Eigentum.

Das seit dem Jahre 2000 in den Räumen von Schloss Sayn installierte Rheinische Eisenkunstguss-Museum (REM) hat auf dem Gelände der Sayner Hütte eine neue Heimat gefunden und wird voraussichtlich Ende 2021 in neu gestalteten Räumen seinen Betrieb in der ehemaligen Tiegelgießerei eröffnen. Im Museum werden Erzeugnisse des Kunstgusses der Sayner Hütte ausgestellt. Auch heute noch finden sich Kunstgusserzeugnisse in der Region.

Erzeugnisse der Sayner Hütte in der Region 

 

Ehrenamt und Vernetzung

Der Ingenieur Heinz Strüder und der Freundeskreis Sayner Hütte sind Synonyme für die Rettung der seinerzeit bereits zum Abbruch freigegebenen Gießhalle und für nachhaltiges bürgerschaftliches ehrenamtliches Engagement.

Ohne die Initiative des Vereins mit seinen rund 300 Mitgliedern und Förderern

·  wäre es nicht zum Erwerb der Gießhalle durch die Stadt Bendorf gekommen,

·  hätten fortwährende Bürger-Arbeiten auf dem Gelände dessen Verrottung nicht verhindert,

·  hätte eine zunächst ehrenamtliche Geschäftsführung für die Stiftung Sayner Hütte nicht installiert werden können.

Der Freundeskreis Sayner Hütte ist nach wie vor ein stabilisierender Faktor für Entwicklung der Sayner Hütte, der durch fortwährendes Bürger-Engagement die Ziele zum Erhalt und zur Sanierung des Denkmals seit ca. 20 Jahre begleitet. Er hat es sich u.a. zur Aufgabe gemacht, eine Schriftenreihe zu Themen rund um die Sayner Hütte herauszugeben und Vorträge zu organisieren. Mitglieder des Freundeskreises haben freien Eintritt zum Hüttengelände. www.freundeskreis-saynerhuette.de 

Weitere ehrenamtliche Unterstützung gibt der Förderverein des Rheinischen Eisenkunstguss-Museums, der im Rahmen seiner Vernetzung den Kunstmarkt hinsichtlich des Angebots von Eisenkunstguss beobachtet und für Ankäufe für das Museum gesorgt hat.

Die Sayner Hütte ist Schaltpunkt einer Kooperation der ehemaligen drei preußischen Eisen-Hütten und ihrer Museen in Sayn, Berlin und Gleiwitz/Gliwicze. Dem angeschlossen hat sich die Schell-Kollektion in Graz, über die Kunstgüsse der Donau-Monarchie erschlossen werden.

Unregelmäßig treffen sich die europäischen Freunde des Eisenkunstgusses zu Tagungen (von Frankreich bis Russland).

Bleibt zu erwähnen, dass die seit Jahren bestehenden guten Kontakte zum historischen Archiv Krupp der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung in Essen immer wieder zu wechselseitigem fachlichen wie freundschaftlichem Austausch führen.

Die Sayner Hütte ist Mitglied der Europäischen Route der Industriekultur (Präsident: Prof. Dr. Meinrad Grewenig) und darüber mit Industriedenkmälern in ganz Europa vernetzt: www.erih.net